Seismische Wellen sind eine reversible Deformation des Mediums z.B. des Gesteins, d.h. ihre Eigenschaften sind von den Eigenschaften des Mediums abhängig, die sie durchlaufen. Die Ausbreitung von seismischen Wellen lässt sich am einfachsten an einem isotropen Stab, auf den eine Spannung entlang der Längsachse wirkt, herleiten.
Aus dem Hookesche Gesetz, 2. Newtonschen Gesetz und 3. Newtonschen Gesetz lässt sich die Geschwindigkeit der P-Wellen (Gl. 3.9) und S-Wellen (Gl. 3.10) herleiten.
ist die Dichte des Mediums.
ist die zweite Lamésche Konstante, die auch als Schermodul bezeichnet wird. Sie gibt den Widerstand des Materials gegen Scherkräfte an.
ist die erste Lamésche Konstante, die keine anschauliche physikalische Bedeutung hat.
In Flüssigkeiten gilt = 0. Daraus folgt, dass es in Flüssigkeiten keine Scherwellen geben kann, Kompressionswellen hingegen schon.
Die Poissonzahl gibt das Verhältnis von radialer und axialer Deformation bei gerichteter Spannung wieder. Die Beziehung zum Schermodul und der ersten Lamésche Konstante ist [Aki und Richards 1980]:
Aus Gl. 3.9 und Gl. 3.10 lässt sich das Verhältnis von P- und S-Wellengeschwindigkeit wie folgt angeben [Aki und Richards 1980]:
Für die meisten Krustengesteine hat die Poissonzahl einen Wert von 0,25 bis 0,30 [Shearer 1999]. Aus Gl. 3.11 und Gl. 3.12 ergibt sich somit, dass das Verhältnis von P- und S-Wellengeschwindigeit zwischen
und
liegt.
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Rayleigh-Wellen (vr) ist kleiner als die der P- und S-Wellen. Das Verhältnis von vr zu vs ist proportional zur Poisson-Zahl (). Bei = 0,25 ist das Verhältnis vr/vs = 0,9194 [Ewing et al. 1957].
Entsteht eine Love-Welle an der Oberfläche, so liegt die Wellengeschwindigkeit der Love-Welle zwischen der S-Wellengeschwindigkeit der oberflächennahen Schicht und der der darunterliegenden Schicht [Knödel et al. 2005].